Lust an Leistung – Vom Managen zum Führen
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Auszug aus dem Vortrag von Kurt H. Steindl, MBA
anlässlich des Symposiums „Führungskräfteentwicklung im Wandel“ an der Johannes-Kepler-Universität Linz
Warum wollen wir mit Arbeit möglichst wenig zu tun haben?
Arbeit wird im Wesentlichen als etwas Negatives , etwas Unangenehmes, das man tunlicht auf ein Minimum beschränken sollte, gesehen. Die Gesellschaft fordert immer weniger Arbeit und immer mehr Freizeit. Immer weniger eigene Anstrengung und immer mehr externe Lustbefriedigung. Dass es den Beruf des Animateurs in den Urlaubsclubs gibt, ist dafür ein deutliches Zeichen. Fast hat man den Eindruck, wir wollen uns zu Tode amüsieren. Dabei erhebt ich gleich noch eine Frage: Warum steigen gerade in den hoch entwickelten und wohlhabenden Industrieländern die Selbstmordraten, der Drogenkonsum und die Unzufriedenheit?
Von Cube (2000) hat darauf folgende Antwort: „ Das Streben des Menschen nach immer mehr Lust und immer weniger Anstrengung führt zu verheerenden Konsequenzen. Verwöhnte Menschen werden krank, aggressiv, süchtig“ (von Cube, F. 2000, S. 75).
Ist also Arbeitszeitverkürzung ein Schritt in die falsche Richtung? Sollten wir stattdessen wieder mehr Zeit am Arbeitsplatz verbringen? Haben die Siemensmanager die Zeichen der Zeit richtig erkannt, indem sie von ihrer Belegschaft eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit verlangen? Ist unser Herr Finanzminister auf dem rechten Weg, wenn er die Abschaffung kirchlicher Feiertage wünscht?
Lust an Leistung (vgl. von Cube, F. 2000, Buchtitel).
Die Antwort lautet ganz eindeutig „JA!“ Den Menschen muss die Möglichkeit geboten werden, Leistung erbringen zu dürfen. Stolz auf ihr tägliches Werk sein zu können. Energie und Glück aus einer anspruchsvollen Tätigkeit schöpfen zu können. Der Glücksforscher Mihaly Csikszentmihalyi hat in seinen Schriften den Ausdruck „Flow“ geprägt. Wenn die Fähigkeiten und Anforderungen an den Menschen hoch sind, kann er in seiner Tätigkeit voll aufgehen, ein Flow-Erlebnis generieren. Csikszentmihalyi geht sogar noch einen Schritt weiter und bezeichnet es als Glück, dass Menschen in diesem Flow-Zustand erleben. Leider beschränken sich die meisten Flow-Erlebnisse heutzutage auf die Freizeit. Wer im Berufsleben keine Chance auf Flow hat, sucht dieses Gefühl vielleicht in einem Verein oder im Sport.
„Denken Sie nicht, dass Bungee-Jumping, Canyoning, River-Rafting oder dergleichen, ein Ausdruck einer hoch entwickelten Freizeitgesellschaft sind. Weit gefehlt, es ist höchstens Ausdruck mangelnder Herausforderung im Berufsleben“, soweit der Freizeitforscher Horst Opaschowski aus Hamburg (zitiert in Kobjoll, K. 1993).
„Die meisten Führungskräfte sehen ihre Aufgabe im Managen und Organisieren und vergessen dabei aufs Führen“ (Steindl, K. H. zitiert in Seminarunterlagen „Führen mit Herz“ von Gastlichkeit & Co, 2003.) Der Taylorismus[1] ist offenbar noch immer zu tief in den Köpfen der Unternehmensleitungen verwurzelt. Mitarbeiter bei Entscheidungsfindungsprozessen, Produktentwicklungen oder noch dramatischer, bei Visions- und Sinnfindung auszuschließen, bedeutet intrinsische Motivation[2] zu verunmöglichen.
Worin besteht also der wesentliche Unterschied zwischen einem Manager und einer Führungskraft?
Covey (1992) hat es in einem Gleichnis auf den Punkt gebracht: Ein Manager sorgt dafür, dass die Leiter sicher an der Wand steht und ist seinen Mitarbeitern behilflich, diese erfolgreich zu erklimmen. Die Führungskraft sorgt dafür, dass die Leiter an der richtigen Wand steht. Diese Metapher zeigt anschaulich den Unterschied zwischen den Begrifflichkeiten managen und führen.
Definitionen
„Management wird im allgemeinen definiert als – die Dinge durch andere erledigen lassen. Im Vergleich dazu wird Führung definiert als – andere dazu bringen, die Dinge zu erledigen“ (Dilts, R.B. 1998, S. 17). Führung hat also mit Beeinflussung und Motivierung zu tun, mit sozialer Kompetenz. Führungskunst bedeutet aber auch Voraussicht. Die Fähigkeit langfristig strategisch zu denken, über Werte und Ziele seine Aufgaben zu erfüllen. Nach ethischen Grundsätzen zu handeln und das Streben nach der Vervollkommnung seines Charakters.
Führung agiert eher nach dem Motto: „Das Wichtige zuerst“. Dies hat allerdings weniger mit dem Setzen von Prioritäten zu tun, als vielmehr mit der Erkenntnis, dass ein erfülltes Arbeitsleben nur mit der Besinnung auf Langfristigkeit zu erreichen ist. Hier greifen populäre Managementtools zu kurz. Um Missverständnisse auszuschließen sei hier der Ordnung halber erwähnt, dass eine Führungskraft natürlich auch managen muss. Aber eben nicht nur. Management ist demnach als Teilmenge von Führung zu verstehen.
Wesentlich bei Führung sind:
- Visionen, Werte und Ziele
Diese sind ausnahmslos gemeinsam mit den Betroffenen zu entwickeln und zu verfolgen. Es muss Sinn und Identität gestiftet werden. Mitarbeiter wollen wissen, wohin die Reise geht und wozu sich die Mühe lohnt. Eine kraftvolle Vision kann nicht verordnet werden. Es ist vielmehr ein evolutionärer Prozess, an dem alle Beteiligten sich aktiv einbringen müssen. - Unterstützung der Mitarbeiter
Ein positives Betriebsklima ermöglicht Innovation und effiziente Teamarbeit und schafft darüber hinaus das Umfeld für intrinsische Motivation. Durch aufrichtige Leistungsbeurteilung vorhandene Stärken stärken und aufrichtiges Feedback über die wahrgenommene Leistung des Mitarbeiters geben. (Achtung: nicht ehrliches Feedback sondern aufrichtiges. Ehrlichkeit kann verletzen. In „aufrichtig“ steckt das Wort „aufrichten“ Also niemals verletzend oder beschämend sondern unterstützend, helfend.) Problemlösungen nicht vorgeben, sondern eigenständig erarbeiten lassen. - Kommunikation
Anita Roddick, Gründerin der Body-Shops sagt über die Bedeutung von Kommunikation: „Für mich ist das eine der wichtigsten Führungsqualitäten überhaupt. Denn wie sehr Sie sich auch für eine Sache begeistern – wenn Sie Ihre Begeisterung nicht auf packende und unterhaltsame Weise vermitteln können und wenn Sie selbst die notwendige Begeisterung – einer der überzeugendsten Formen von Kommunikation – erst gar nicht aufbringen, dann können Sie genauso gut wegbleiben. Ich habe so viele Leite mit so guten Absichten erlebt – und dann quälen Sie sich ab. Sie kennen sich einfach nicht aus damit. Es ist eine Kunst. Es ist eine regelrechte Kunst, eine Fertigkeit“ (zitiert in Csikszentmihalyi, M. 2004, S. 159). Ich denke, damit ist der Stellenwert der Kommunikation eindeutig beschrieben.
Was bedeutet Führung im Kontext Organisationsentwicklung?
Führung bedeutet Zeit und Raum geben. Die Gruppe (das System) organisiert und optimiert sich laufend selbst, wenn sie Verantwortung übertragen bekommt und nicht von oben übersteuert wird. Dann erreicht sie das ihr am besten passende (optimale) Ergebnis. Dies hat der Evolutionsphysiker Manfred Eigen anhand von Molekülen und deren Mutanten nachgewiesen (vgl. Eigen, M. in GEO-Wissen 2/1990, S. 84). Es ist wichtig kreative Freiräume zu schaffen und vorhandene Strukturen aufzulösen, Teambildungen zu forcieren, Fehlerfreudigkeit zu leben statt zu kritisieren, Konfliktlösungsrituale zu schaffen, individuelle Problemlösungen – ohne konkrete Handlungsvorgaben – und damit Selbstorganisation zu ermöglichen.
Als eine der wichtigsten Kriterien von effizienter Führung bezeichne ich, gerecht zu sein. Alle Mitarbeiter gleich behandeln zu wollen, ist schon aufgrund der Verschiedenartigkeit der Individuen nicht angebracht. Die Erwartungen, Wünsche Träume, Ängste sind einfach zu verschieden. Mitarbeiter gerecht zu behandeln bedeutet natürlich auch, persönliche Vorlieben oder Antipathien glaubwürdig zurückzustellen.
Nachhaltige Führung bedeutet Hoffnung, Vertrauen und Sinn schaffen.
Wie können langfristige Strategien im Spannungsfeld von Shareholder Value und unternehmerischen Visionen wirkungsvoll bestehen?
Möglicherweise besteht der einzig gangbare Weg in der Orientierung auf eine verantwortungsvolle Unternehmensethik[3]. Der kategorische Imperativ von Emanuel Kant kann dabei behilflich sein. Eine gelebte Gesinnung, die der Gesellschaft, dem Allgemeinwohl aufrichtig dienen will, braucht sich um Zulauf von Kunden kaum zu kümmern. Wer die Probleme anderer in Demut ernst nimmt – das heißt ohne (materielle) Hintergedanken, sondern wahrhaft ehrlich und aufrichtig – wird auch wirtschaftlich erfolgreich sein, sofern die Gesetze der Wirtschaftlichkeit berücksichtigt werden. Auch Aktionäre haben ein Interesse daran, nicht nur heute Gewinne zu erzielen, sondern langfristig ihr Vermögen zu mehren.
Welcher persönlichen Voraussetzungen bedarf es, um den Weg einer effektiven Führungskraft zu gehen?
In erster Linie Integrität. „Worte und Gefühle stimmen mit Gedanken und Handlungen überein. Ohne schlechte Absichten ohne Vorteilsdenken und ohne Kontrollbedürfnis haben Sie das Wohl Ihrer Mitarbeiter im Sinn. Sie streben nach Kongruenz und überprüfen regelmäßig Ihre Ziele“ (Covey, S. R. 1999, S. 65).
„Führungskunst heißt eine Welt zu erschaffen, der die Menschen zugehören wollen“ (Gilles Pajou, zitiert in Dilts, R.B. 1998)
Autor: Kurt Steindl
LiteraturCovey, S. R.: Die sieben Wege zur Effektivität. Frankfurt: Campus.1992.
Covey, S. R.: Die effektive Führungspersönlichkeit. Management by principles. Frankfurt: Campus. 1999.
Csikszentmihalyi, M.: Flow im Beruf. Das Geheimnis des Glücks am Arbeitsplatz. Stuttgart; Klett-Cotta. 2004
Dilts, R.B.: Von der Vision zur Aktion. Die Erschaffung einer Welt, der die Menschen zugehören wollen. Angewandtes NLP. Paderborn: Junfermann. 1998.
Kehr, H. M.: Souveränes Selbstmanagement. Ein wirksames Konzept zur Förderung von Motivation und Willensstärke. Weinheim und Basel: Beltz. 2002.
Kobjoll, K.: Motivaction. Begeisterung ist übertragbar. Zürich: Orell Füssli. 1993.
Lang, K.: Bildungs-Controlling. Personalentwicklung effizient planen, steuern und kontrollieren. Wien: Linde. 2000.
Luhmann, N.: Soziale Systeme. Frankfurt am Main. 1984.
Rassidakis, P.: Wege der Selbstevolution. Books on Demand. 2001.
Von Cube, F.: Lust an Leistung. Die Naturgesetze der Führung. München, Zürich: Piper. 7. Auflage, 2000.
Von Cube, F.: Fordern statt verwöhnen. Die Erkenntnis der Verhaltensbiologie in der Erziehung. München, Zürich: Piper. 13. Auflage, 2003.
Wottowa, H./Gluminski, I.: Psychologische Theorien für Unternehmen.Göttingen: Hogrefe. 1995.
Ziegler, A.: Verantwortungssouveränität. Unternehmensethik heute. Bayreuth: Josef Schmidt. 1994.
Zur Bonsen, M.: Führen mit Visionen. Der Weg zum ganzheitlichen Management. Wiesbaden: Gabler. 1994.
[1] Der Taylorismus geht zurück auf den US-Amerikaner Frederick Winslow Taylor. Taylor glaubte, die Arbeit mit einer rein wissenschaftlichen Herangehensweise optimieren und damit soziale Probleme lösen und „Wohlstand für Alle“ erreichen zu können. Er führte Prämienlohnsysteme ein und entwickelte neue, wissenschaftlich begründete detaillierte Arbeits- und Bewegungsabläufe zur Steigerung der Leistung der Arbeiter. Dadurch kam es zu einer stark zunehmenden Rationalisierung in den Betrieben: Die Arbeiter bekamen eine normgerechte Umgebung mit standardisierter Beleuchtung, Werkzeugen und Betriebsabläufen. Im Gegenzug wurde ihnen weniger Selbstbestimmtheit zugesprochen. Der Arbeiter war jetzt nur noch für die schlichte Handarbeit zuständig, nicht mehr für die Lösung von Problemen.
[2] „Intrinsische Motivation fördert die Umsetzung von Handlungsabsichten. Wer intrinsisch motiviert ist, erreicht selbst schwierige Ziele, ohne dies als anstrengend zu erleben“ (Kehr, H. M. 2002, S. 21). Es ist nicht die Aufgabe der Führungskraft Mitarbeiter zu motivieren. Vielmehr besteht die Pflicht Demotivation zu vermeiden.
[3] „Unternehmensethik ist die Lehre vom gut gemeinten und sachlich richtigen unternehmerischen Handeln des Menschen, das deswegen (vor allem gewissensmäßig) zu verantworten ist, weil das Unternehmen erstens darauf abzielt, die materiellen Voraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins bereitstellen zu helfen, zweitens dafür sorgt, dass diese materiellen Voraussetzungen des menschenwürdigen Daseins auch auf menschenwürdige Weise geschaffen werden, drittens darum zu einem gelingenden und glückenden Leben beiträgt“ (vgl. Ziegler, A. 1994 S. 104)