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Branchenblick 174

vom 02. Jänner 2023

Ein Neues Jahr

 


 

Guten Tag liebe Leserin, lieber Leser,

ein Neues Jahr hat begonnen und neue Herausforderungen stehen vor uns. Das letzte Jahr war nicht besonders prickelnd und hat gleich mehrere Krisen beinhaltet. Pandemie, Krieg, Energie, Inflation, … wahrlich keine schönen Schlagwörter. Und diese Probleme nehmen wir mit ins Neue Jahr. Aber wir werden auch dies meistern. Leute, die in der Hotellerie & Gastronomie arbeiten sind ja ein besonderer Menschenschlag. Robust, fleißig, hart im Nehmen und vor allem widerstandsfähig. Wo andere schon längst das Handtuch werfen, stehen Sie noch immer parat und leisten Unglaubliches. Mein aller größter Respekt ist Ihnen sicher.

In den Gesprächen mit meinen Kunden höre ich immer wieder, dass die Gäste sich in den letzten Jahren spürbar verändert haben. Weniger Geduld, erhöhte Aggressivität und mehr Ich-Bezogenheit wird ihnen bescheinigt. Aus eigenen Beobachtungen muss ich dies leider bestätigen. Als Me-Generation bezeichnete man die Millenials. Sie galten als Egoisten. Doch der Virus scheint mit dieser Einstellung auch die restliche Bevölkerung infiziert zu haben. Ich erkenne das am Deutlichsten beim Autofahren. Rücksichtslose Überholmanöver, Beleidigungen und riskante Fahrstile prägen dieser Tage die Asphaltstreifen. Aber auch beim Bäcker und beim Wirt kann man erkennen, dass die Kunden aufbrausender und unbeherrschter sind. Was ist da passiert?

Während in früheren Zeiten die Menschen sich noch bereitwillig einem größerem Ganzen unterordneten und rücksichtsvoller aufeinander achteten, eskaliert heute die Situation oft schon wegen Nichtigkeiten. Der Grund ist in einer veränderten Weltanschauung zu suchen. Der moderne Mensch in unseren Breiten sieht sich immer mehr als Mittelpunkt seiner Welt. Aus seinem Hintern, so meint er, scheint die Sonne. Und um diese Sonne hat sich alles zu drehen. Seine Bedürfnisse, seine Wünsche und seine Erwartungen sind zentral. Was andere wollen, ist deren Problem. Das erinnert mich an den Queen-Song: „I want it all, I want it now!“ Ich will alles und sofort, scheint die Devise zu sein. Junge, kräftige Menschen ziehen es heutzutage vor, nur mehr Teilzeit zu arbeiten, um mehr Freizeit zur Verfügung zu haben. Dass damit auch nicht alles verfügbar ist, erkennen sie erst mit Verzögerung. Das ist nicht verwerflich, sondern nachvollziehbar. Sie haben Alte als Vorbild, die ihr Leben für große Ziele opferten. Die geschuftet haben, um Wohlstand zu erreichen. Die dann körperlich geschunden, diesen Wohlstand gar nicht in voller Pracht genießen konnten. Ich bin Jahrgang 1960 und meine Alterskollegen (nein, ich gendere nicht, ich halte das für blöd!) sind noch mit der Haltung aufgewachsen: Wenn du dich anstrengst und leistest, kannst du dir etwas schaffen und später dann ein besseres Leben führen.

Nun, die jungen Leute von heute haben einen anderen Hintergrund. Wozu soll ich mich anstrengen und leisten? Ich brauche nichts mehr zu schaffen, es ist schon alles da, was man für ein gutes Leben braucht. Wir Alten haben die Jungen verwöhnt und sie im Überfluss erzogen. Das haben wir nun davon. Wir hätten rechtzeitig das (heute noch immer hochaktuelle) Buch von Felix von Cube[1] lesen sollen, in dem er die Auswirkungen von Verwöhnung beleuchtet. Seiner Ansicht führt sie zu aggressiver Langeweile, Gewalt, häufig wechselnden Sexualpartnern, Drogenkonsum, Instabilität und dergleichen mehr. Gepaart mit der überbordenden Dominanz von Handy-Algorithmen, die den Tagesablauf massiv beeinflussen, scheint kein Ausweg verfügbar zu sein. Hinzu kommt auch noch, dass viele Eltern meinen, sie müssten die Freunde ihrer Kinder sein und verzichten deshalb auf Regeln und Normen. Alles scheint erlaubt. Keine Gebote und schon gar keine Verbote.

Der Jahreswechsel scheint vielleicht ein guter Zeitpunkt, um über all das nachzudenken. Darüber, wie wir darauf reagieren wollen.

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[1] Felix von Cube. Fordern statt verwöhnen. Die Erkenntnisse der Verhaltensbiologie in der Erziehung. 1986


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Ein Neues Jahr

2023 wird kein Honigschlecken aber wir brauchen davor auch keine Angst zu haben. Wir werden unsere Gestaltungsmöglichkeiten in unserem Einflussbereich nutzen. (Sollte Putin tatsächlich nicht vor dem Einsatz einer Atombombe zurückschrecken, liegt das sowieso außerhalb unseres Einflussbereiches.)

Wir sind gefordert zu wachsen und uns auf unsere Tugenden zu besinnen. Unsere Branche gilt ja schon seit jeher als Benchmark für die Wirtschaft. Hohe Leistung, körperliche Anstrengung, Organisationsvermögen, Improvisationsbereitschaft, gepaart mit einem freundlichen Lächeln und positiver Lebensfreude. So werden wir neidvoll gesehen. Im Kern stimmt das natürlich. Auch wenn es immer schwerer fällt, der Borniertheit und aggressiver Arroganz mit Ruhe und Freundlichkeit zu begegnen. Aber wir können das. Das haben wir vielfach schon bewiesen.

Dazu braucht es natürlich die Besinnung auf uns selbst. Was ist mir wirklich wichtig, wie will ich leben und wer bin ich? Eine innere Unzufriedenheit präsentiert sich immer in Ungeduld und Verzweiflung, die sich oft in (verbaler) Gewalt zeigt. Deshalb sollten wir, anstelle von unsinnigen Neujahrsvorsätzen, die sowieso nie realisiert werden, vielleicht kurz innehalten und uns Gedanken über unseren Lebensentwurf machen. Geld ist wichtig, keine Frage, aber sollte nur dann Alltagsbestimmend sein, wenn wir zu wenig haben, um unser Auslangen zu finden. Gier und Maßlosigkeit sind immer ein Zeichen innerer Leere, die sich durch Luxus aber nicht füllen lässt. Egal wie viele Milliarden wir anhäufen. Deshalb betrachte ich die Superreichen dieser Welt mit Argwohn. Wenn es niemals genug ist, dann ist man vermutlich nur Getriebener und innerlich leer. Das Gute an Corona war, dass wir gelernt haben, mit viel weniger auszukommen. Die Besinnung auf Wesentliches ist ein Schlüssel zur Dankbarkeit und führt damit direkt zu einem glücklicheren Leben. Wofür sind Sie dankbar? Vielleicht wollen Sie sich ein paar Minuten nehmen, um das zu reflektieren?

Wir agieren als Vorbild. Für unsere Mitarbeiter, Kollegen, Familienangehörige, Kinder, Freunde, … An unserem Verhalten orientieren sich andere. Je gelassener wir sind, desto mehr positiven Einfluss werden wir auf andere haben. Jahrelang hatte ich ein kleines Schild mit der Aufschrift „heitere Gelassenheit“ über meinem Schreibtisch. Das hat mich inspiriert, etwas entspannter zu reagieren. Gelang und gelingt natürlich nicht immer, aber doch ab und zu. Gut, ein gesetztes Alter tut auch seinen Teil, aber in erster Linie ist es eine Entscheidung. Die Entscheidung, was uns wichtiger ist: Haben oder Sein? Unsere Träume, Wünsche drehen sich oft über das Haben, dabei ist es das Sein, das unser Schicksal bestimmt. Wer will ich sein? Wie will ich mich benehmen? Wie will ich mein Leben führen? Worauf möchte ich stolz sein, wenn ich zurückblicke? Was ist anständig?

Schwache Menschen lassen sich von Launen und Stimmungen treiben. Starke Menschen wissen, was in ihrem Leben wirklich von Bedeutung ist und leben danach. Sie scheuen sich nicht, ja zu sagen. Während wir in Schulungen lernen, dass es wichtig sei, „nein“ zu sagen, sollten wir vielmehr darauf achten, wozu wir „ja“ sagen. Das erfordert oft mehr Chuzpe. Wir bereuen später nicht, was wir falsch gemacht haben. Wir bereuen, was wir verabsäumt haben. Es braucht Mut, sich dem Leben und seinen Herausforderungen zu stellen. Es braucht noch mehr Mut, dies in einer anständigen Art und Weise zu tun. Es braucht Mut „ja“ zu einem anständigen Leben zu sagen.

Jeden Tag ein kleines Stück mehr Gelassenheit in den Alltag zu implementieren, ist eine gute Sache, die ansteckend auf andere wirkt. Rückschläge gehören zum Lernen dazu und sind notwendig, damit der Fortschritt auch sichtbar werden kann. Vor jedem Tun, steht eine Entscheidung. Wie will ich darüber denken? Wie will ich reagieren? Wie will ich sein? Wie will ich 2023 gut meistern?

Ich wünsche Ihnen Gutes Gelingen und ein freudvolles Neues Jahr.

Kurt Steindl


Wir wünschen Ihnen viele begeisterte Gäste.

G a s t freundliche Grüße

Gastlichkeit & Co
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