Wein: Bilder vom Geschmack
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Natürlich weiß jeder Wein-Genießer, was einen besonderen Jahrgang seiner Lieblingssorte so außergewöhnlich macht. Nur: Kaum jemand kann diese geschmacklichen Eindrücke auch in Worte fassen, die jeder versteht. Klassische Beschreibungen mit Worten wie „samtig“, „stoffig“, „rassig“, „elegant“ etc. reichen oft nicht aus, denn sie lassen mehrere Deutungen zu. Auf dem Annahof bei Landau in der Pfalz gibt es nun ein neues Modell. Abstrakte Bilder auf der Weinkarte sollen die Weine treffender beschreiben und für mehr Verständlichkeit sorgen. Farben und Formen zeichnen dabei den typischen Charakter jedes Rebensaftes leicht verständlich nach.
Wein „riechen“
Unsere Nase weiß Genaueres als unser Mund, wenn es um das Einzigartige eines Weines geht. Denn das spezielle Aroma eines edlen Tropfens können wir nur riechen, nicht auf der Zunge schmecken. Die erlaubt uns nämlich nur die Grundrichtungen „süß“, „salzig“, „sauer“ oder „bitter“ zu identifizieren. Der „Zimt-und-Zucker-Test“ beweist das: Wer seinen Finger in ein Gemisch aus Zimt und Zucker tunkt und mit zugehaltener Nase probiert, wird nur „süß“ schmecken. Sobald er die Nase wieder frei hat, kann er den Geschmack in seinem Mund zusätzlich als „zimtig“ erkennen und vom Zucker unterscheiden.
So ist es auch mit den Weinen: Ein Riesling duftet für die geschulte Nase nach Zitrusfrüchten, Pfirsich oder Äpfeln, ein Grauburgunder eher holzig-erdig oder auch nach Nüssen und Mandeln. Erinnerungen an grünes Gras und Paprika weckt der Geruch des Cabernet Sauvignon.
Geschmack im Bild
Der Weinexperte Martin Darting aus Wachenheim zeigt in Fachseminaren, wie etwa Winzer ihre potentiellen Käufer ohne viele Worte und auch ohne Probiermöglichkeit von einem Wein überzeugen können: Abstrakte Aquarell-Bilder sollen das Kommunikations-Problem lösen – unter Umgehung des rationalen Denkens. Angenommen wird, dass jeder Wein typische emotionale Schwingungen beim Weingenießer auslöst, die dieser mit dem Pinsel intuitiv aufs Papier bringen kann. Das Charakterbild des Weines vermittelt sich dann sehr exakt dem Betrachter – nach dem Prinzip der synästhetischen Wahrnehmung. Dabei handelt es sich um eine Kopplung von Sinnesreizen, in diesem Fall die Verbindung von Geschmack und Geruch mit dem Sehen. Erstaunliches Ergebnis: Wenn zwei Menschen unabhängig voneinander denselben Wein „malen“, entstehen meist auch beinahe identische Bilder. Diese Erfahrung hat zumindest Martin Darting in seinen Workshops gemacht. Damit scheint die Bildsprache vom Wein tatsächlich universell verständlichen Regeln zu gehorchen.
Weinkarte ohne Worte
Für das bunte Phänomen hat man im Bio-Restaurant „Annahof“ in Albersweiler bei Landau schon eine praktische und gastfreundliche Anwendung gefunden: Wer zum Öko-Mahl auch einen leckeren Tropfen bestellen möchte, kann sich eine ganze „Weinkarte in Bildern“ mit abstrakten Aquarellen für jeden Wein bringen lassen. Sie kommt ohne viele Worte und langatmige Beschreibungen aus. Wenn man sich auf das Spiel einlässt, kann man die Entscheidung nun ganz seinem Gefühl überlassen.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Oliver Driesen